GATS = konzerngerechte Welt oder die Privatisierungsfalle

Ökostrom - Steigen Sie um!

Das „General Agreement on Trade in Services“ (GATS) ist ein Abkommen der Welthandelsorganisation WTO, das weltweit die Liberalisierung von Dienstleistungen vorantreiben soll. Derzeit wird eine dramatische Ausweitung verhandelt. In 146 Ländern sollen den Großkonzernen alle Schranken geöffnet werden.

Der Dienstleistungssektor macht in den Industrieländern bereits zwei Drittel der Wirtschaftsleistung aus, entsprechend groß ist das Interesse der führenden Konzerne an einer weltweiten Liberalisierung (und Privatisierung) von Bank- und Versicherungsgeschäften, Telekommunikation, Post, Strom, Gas, Wasser, Transport, Tourismus, Medien, Bildung, Gesundheitswesen und weiteren 150 im GATS aufgelisteten Dienstleistungen. Die Öffnung der Dienstleistungsmärkte dient in erster Linie dazu den Zugang der ausländischen Konzerne zu allen Märkten der Welt und die Gleichbehandlung von in- und ausländischen Unternehmen zu sichern.

Die Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das ist um so brisanter, als einmal eingegangene Liberalisierungsverpflichtungen im Sinne des InvestorInnenschutzes nicht rückgängig gemacht werden können. Außerdem verpflichten sich die GATS-Unterzeich-nerInnen zur permanenten Weiterliberalisieung, nicht nur in den bereits geöffneten Sektoren, sondern auch in den bislang "verschonten".

Selbst Parlamentarier wissen nicht, welche Angebote die jeweilige Regierung in den Verhandlungen einbringen, und für fast alle österreichischen Parlamentarier war das Kürzel GATS vor der ATTAC*-Kampagne ein Fremdwort.

Öffentliche Dienste und Daseinsvorsorge in Gefahr

Unter „öffentlichen Diensten" (engl. public services) versteht man soziale Absicherungs- und Grundversorgungsbereiche wie Kranken- und Pensionsversicherung, Bildungssystem, öffentlicher Verkehr, Wasserversorgung, Strom, Telefon und Post. Die Grundinfrastruktur, die wir alle jeden Tag benötigen, wird üblicherweise durch öffentliche Monopole auf solidarische Weise zur Verfügung gestellt. Alle Menschen haben Zugang, Gewinne werden nicht erwirtschaftet, der Markt bleibt draußen. Das könnte durch das GATS schon bald Vergangenheit sein. Post, Strom und Telekom werden bereits liberalisiert, und in den USA und in England sind sämtliche der aufgezählten Bereiche zumindest teilprivatisiert. Das Problem: Durch die Privatisierung drohen die public services teurer zu werden, der universale Zugang für alle Menschen würde verloren gehen, und die Qualität der Dienstleistungen droht ebenfalls abzunehmen. Darauf lassen zumindest eine Reihe internationaler Erfahrungen schließen (siehe unten).

Die Folgen der Liberalisierung der öffentlichen Dienste sind fatal

Steigende Preise. In Großbritannien sind die Wasserpreise nach der Liberalisierung um knapp 50%, in Bolivien innerhalb weniger Wochen sogar um 100% gestiegen. In der privaten Pensionsversicherung betragen die Verwaltungskosten 10% bis 30% der Beiträge, während das öffentliche Pensionssystem in Österreich mit 1,8% Verwaltungskosten auskommt. Im öffentlichen Gesundheitssystem zahlen alle gleich hohe Beitragssätze. In der privaten Krankenversicherung muss die mit den höchsten “Risken" behaftete Gruppe - alte und kranke Menschen - die höchsten Prämien zahlen. Frauen zahlen bei der Privatpension für dieselbe Leistung höhere Beiträge als Männer, weil sie eine höhere Lebenserwartung haben. Und die Schwangerschafts- bzw. Kindererziehungszeiten werden ihnen, im Gegensatz zum öffentlichen Pensionssystem, nicht angerechnet.

Wer sind die Gewinner des GATS?

Das GATS kommt nicht von ungefähr. Der ehemalige Direktor der GATS-Abteilung im WTO-Sekretariat David Hartridge hat dies so ausgedrückt: „Ohne den enormen Druck der amerikanischen Finanzdienstleistungsindustrie, insbesondere von Firmen wie American Express oder Citicorp, hätte es kein Dienstleistungsabkommen gegeben“. Die großen Dienstleistungskonzerne der USA und der EU sind gut organisiert und betreiben systematisches Lobbying für Liberalisierung. Neben Banken und Versicherern zählen große Wasserversorger (Vivendi, Suez, RWE), Energie-, Bildungs- und Gesundheitskonzerne zu den Gewinnern des GATS. Die Weltbank schätzt den weltweiten Markt für Wasserversorgung auf jährlich 800 Milliarden Dollar, den für Bildung auf 2000 Milliarden Dollar und jenen für Gesundheitsdienstleistungen auf 3500 Milliarden Dollar. Die EU-Kommission gibt unverblümt zu: „Das GATS ist (...) zuallererst ein Instrument zugunsten des Geschäftemachens" (first and foremost an instrument for the benefit of business}. Profiteure des Deregulierungszwangs sind allerdings nicht nur ausländische Konzerne, sondern auch heimische Privatfirmen, die quasi als Nutznießerinnen des von außen kommenden Sachzwangs den öffentlichen Sektor unter Druck setzen um selbst mitzunaschen. Die Politik forciert dann sogar noch „österreichische Lösungen".

... und wer die VerliererInnen?

Wie oben beschrieben ist „die Demokratie das erste Opfer der WTO" (Maria Mies). Frauen, Arbeitnehmerlnnen und NutzerInnen von öffentlichen Diensten zählen zu den VerliererInnen des GATS. Ganz besonders verlieren würden die Entwicklungsländer, die von Anfang an skeptisch oder ganz gegen das GATS waren. Sie mussten dies bei der WTO-Gründung im Rahmen eines „Gesamtpakets" schlucken. Die Interessenslage ist klar: Der Dienstleistungssektor macht in den USA 70% der Wirtschaftsleistung aus, in Kambodscha 34%. Nicht kambodschanische Finanz-, Telekom- und Computerkonzerne wollen auf den US-Markt, sondern umgekehrt. Besonders problematisch: Entwicklungsländer sind Leichtgewichte in den WTO-Verhandlungen und können sich gegen die Begehrlichkeiten der schwergewichtigen “Quads“ (USA, Kanada, EU, Japan) kaum wehren, auch dann nicht, wenn letztere auf die Öffnung des Bildungs- und Gesundheitssystems oder der Wasserversorgung bestehen. Damit steht aber für den finanzschwachen (Groß-)Teil der Bevölkerung der Zugang zu Grundversorgungsbereichen auf dem Spiel. Die Menschenrechtskommission der UNO hat bereits vor diesem Szenario gewarnt, weil Wasser, Gesundheitsversorgung und Bildung als Menschenrechte angesehen werden. Gerade die Position der EU ist aber granithart: Im Gegenzug für den Abbau der Landwirtschaftsubventionen will Brüssel die Dienstleistungsmärkte der Entwicklungs- und Schwellenländer knacken.

Widerstand gegen den Rauptierkapitalismus

In der WTO ist kein Umdenken zu erreichen. Die USA, Kanada, Japan und die EU kontrollieren 81% des Welthandels und eigentlich sind es die multinationalen Konzerne, die hinter den WTO-Verhandlungen stehen, die „unsterblichen Giganten“. Finanzkapital und Großkonzerne, die neuen Herrscher der Welt, haben für sich alle Freiheiten erreicht.

Doch gegen diese Form des Raubtierkapitalismus hat sich eine breite Front von tausenden Widerstandsgruppen - die planetarische Zivilgesellschaft gebildet - z.B. von den Indianern in Mexiko (Zapatisten) über die Landlosenbewegung in Brasilien bis zu den Intellektuellen bei ATTAC*.

Sie haben sich in Seattle 1999 bei der WTO-Ministerkonferenz erstmals gefunden und bilden eine Gegenwelt, die immer kompetenter wird und sich organisiert. Kein Treffen von WTO, Weltbank, G 8, IWF oder WEF wo sie nicht mit ihren Forderungen und Protestumzügen auftreten.

Cancun WTO entgleist

Das ist ein glückliches und zugleich gefährliches Ereignis. Glücklich, weil sich erstmals seit Gründung der Welthandelsorganisation eine Widerstandsfront der Dritte-Welt-Länder gezeigt hat, die Forderungen stellte, etwa nach Abbau der für sie bedrohlichen Agrarsubventionen; und weil sich eine Synergie entwickelt hat zwischen den Organisationen der neuen planetarischen Zivilgesellschaft und den Entwicklungsländern. In Seattle 1999 waren Gruppen wie ATTAC draußen auf den Barrikaden, jetzt sind sie drinnen als Berater und think-tank der ärmsten Länder. Gefährlich ist es, weil die USA jetzt bilateral verhandeln wollen: Dabei ist die Erpressungskraft ihres Imperiums noch viel stärker.

Durch das frühe Scheitern der Konferenz kam GATS nie auf den Tisch. Damit ist GATS auch nicht explizit gescheitert, aber doch aufgeschoben (Abschluss war bis 1.1.2005 geplant). Mehr Zeit für die Information und den Widerstand ist damit gegeben.

GR Mag. Werner Schmidt

*ATTAC: „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohle der Menschen“ = zurzeit wichtigste globalisierungskritische Organisation in Österreich.
Effektive STOP-GATS Kampagne.
www.stoppgats.at

ATTAC Österreich,
1050 Wien, Margaretenstr.166,
Tel.: 01/54641-430
www.attac-austria.org